Meinung: Franz Müntefering – Eine Flucht in die Opposition kostet noch mehr Stimmen

Wie viele langjährige, erfolgreiche SPD Politiker, sieht Franz Müntefering in der Wahl der Mitglieder das Risiko einer Entwicklung der Partei in eine gefährliche und falsche Richtung. Franz Müntefering war von März 2004 bis November 2005 sowie von Oktober 2008 bis November 2009 Chef der SPD und Vizekanzler der Groko zwischen 2005 und 2007. Während viele „gestandene“ SPD Mitglieder mit einem Austritt aus der Partei liebäugeln, mahnen andere den Zusammenhalt an. Andere, vor allem jüngere Parteimitglieder, jubeln über die Entscheidung gegen den bei ihnen wenig geschätzten Olaf Scholz. Sie glauben, dass damit der Weg aus der bei ihnen ungeliebten Koalition geebnet sei und übersehen dabei die Risiken, die ein solches Verhalten mit sich bringt.

Franz Müntefering erklärt in einem Interview, das im Berliner Tagesspiegel erschienen ist, es sei keine Frage, dass Saskia Esken und Norbert Walter Borjans „Parteivorsitz können“, betont aber, die beiden sollten den Parteivorsitz nicht „mit einer Kommandozentrale verwechseln“. Er hoffe sehr, dass die Bundestagsfraktion für eine klar erkennbare politische Linie der SPD im Bund sorge.
Weiter sagte der erfahrene Sozialdemokrat „Das Parteipräsidium kann nicht jeden Montagmorgen versuchen, die Regierung zu leiten und zu lenken. Über die Politik der Bundesregierung und der SPD-Fraktion wird nicht im SPD-Präsidium entschieden. Wir haben kein Zentralkomitee, sondern eine Fraktion mit gewählten Abgeordneten, die ihrem Gewissen verpflichtet sind“.
Weiter erklärt Franz Müntefering, die SPD sei gehalten sich an den bestehenden Koalitionsvertrag zu halten. Wenn man davon in einer für den Koalitionspartner nicht akzeptablen Weise abweiche, sei die Koalition am Ende. Falls man diesen Bruch der Koalition gezielt herbeiführe, werde dies erkennbar sein. Die Quittung dafür seien Stimmenverluste bei der nächsten Wahl.
Es sei ohnehin in den letzten Jahren ein Fehler gewesen, ständig zu fragen ob die große Koalition gut für die Partei sei. Die richtige Frage sei viel mehr „Was ist gut für unser Land ?“ Es sei keine seriöse Politik, nur auf die Prozentpunkte bei der nächsten Wahl zu schauen. Man könne allerdings bemängeln, dass die SPD die positiven Dinge, die sie erreicht hat, nicht ausreichend gut darstellt.
Mit Blick auf die Zukunft sagte Müntefering, er könne sich nicht vorstellen, dass die SPD im gegenwärtigen Stadium einfach ihre Minister zurückziehe. Es gebe noch viele Aufgaben, die dringend gelöst werden müssten und zwar mit der Handschrift der SPD wie beispielsweise in der Pflege, in der Frage der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse und in viele weiteren Bereichen, die auf ein Lösung warten. Da könne man sich nicht einfach davonstehlen und Pause von der Verantwortung machen. Denn auch wer nicht handele, sei für das Ergebnis verantwortlich. Ganz deutlich sagte er: „Es gibt keine Entlassung aus der Mitverantwortung für das, was jetzt passiert“.

Viele andere SPD Politiker teilen zumindest inhaltlich die Auffassung von Franz Müntefering. Von der CDU kommt die klare Ansage, es gibt keine Nachverhandlungen zum Koalitionsvertrag. Es hat also den Anschein, das sich die Fronten verhärten zu einem Zeitpunkt, zu dem es wichtig wäre aufeinander zuzugehen, gerade weil zahlreiche Aufgabe bevorstehen. Hervorgerufen durch die manchmal irrlichternde Trump’sche Politik, durch den ungelösten Brexit, durch die Kriegsgefahr im Nahen Osten, durch die aufkommenden Wirtschaftsprobleme, die Digitalisierung, den Klimaschutz, die bevorstehende EU Ratspräsidentschaft und vielem mehr, das eine stabile Regierung erforderlich macht, die das Gewicht Deutschlands glaubwürdig vertreten kann. Eine Zitterpartie wie nach der Bundestagswahl 2017 würde die Reputation der Bundesrepublik entscheidend verringern. Deshalb sollten sich diejenigen, die den Parteitag der SPD vorbereiten und vor allem diejenigen, die dort Entscheidungen treffen nicht vom Heureka über den scheinbaren Sieg über das Establishment leiten lassen, sondern sich von der Vernunft führen lassen. Sie sollten sich stets vor Augen halten, dass 45 % der Parteimitglieder gegen das neue möglicherweise von Kevin Kühnert gelenkte Führungs-Duo gestimmt haben und dass 46 % der Mitglieder überhaupt nicht an der Wahl teilgenommen haben. Nicht unbedingt leiten lassen sollte man sich allerdings von Einflussversuchen durch andere Parteien wie etwa den Grünen, die eine Entscheidung über den Fortbestand der GroKo vor Beginn des Parteitages herbeireden wollen, also eine Entscheidung bevor der neue Parteivorstand überhaupt gewählt ist. Die Absicht dieser Versuche ist erkennbar klar. Man hofft, dass Pflöcke eingeschlagen werden, an denen dann die Delegierten nicht mehr vorbeikommen. Es bleibt zu hoffen, dass man sich im amtierenden Parteivorstand der SPD von diesen Einflussversuchen nicht beirren lässt und die Entscheidungen den Delegierten überlässt.(ara)

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