Zwei bedeutende romanische Kirchen lagen offenbar nebeneinander

Merzig. Derzeit sind in der Kreisstadt Merzig die umfangreichen Arbeiten zur Umgestaltung und Attraktivitätssteigerung des Kirchplatzes „St. Peter“ in vollem Gange. Dabei sind – wie bereits im Vorfeld der Umbauarbeiten angenommen – archäologische Funde zutage getreten. Vor Beginn der Arbeiten jedoch nicht absehbar war deren Bedeutung für die Stadtgeschichte Merzigs.
„Die Funde, die das Landesdenkmalamt in den vergangenen Wochen freilegen konnte, sind aus kultur- und stadthistorischer Sicht ausgesprochen wertvoll und bemerkenswert“, stellte FundeOberbürgermeister Dr. Alfons Lauer im Rahmen Pressetermins auf der Baustelle des Kirchplatzes fest. Gemeinsam mit Prof. Dr. Wolfgang Adler, Mitarbeiter des Landesdenkmalamtes und Leiter der Ausgrabungen auf dem Merziger Kirchplatz, informierte Lauer gemeinsam mit Bürgermeister Manfred Horf, Ortsvorsteher Manfred Klein und Pastor Bernhard Schneider die Vertreter der Medien über die Ergebnisse der außergewöhnlichen und beeindruckenden historischen Funde.
Unter dem Kirchplatz kamen die Fundamente von St. Walpurga zum Vorschein, der ursprünglichen, um 1750 abgebrochenen Pfarrkirche von Merzig. Diese stand im Mittelalter und in der frühen Neuzeit – das Ortsbild über Jahrhunderte prägend – dicht neben der Klosterkirche St. Peter. Durch die Ausgrabungen konnten die genaue Lage und der Grundriss der Walpurgiskirche geklärt werden.
„Damit hatte ich bereits vor Beginn der Ausgrabungen gerechnet, und ich freue mich, dass sich diese Erwartung erfüllt hat. Überraschend und neu ist, dass es sich bei der im 16. Jh. erstmals erwähnten Kirche um einen mittelalterlichen romanischen Bau mit architektonisch aufwändigem Grundriss handelt“, so Adler. Um einen quadratischen Mittelteil sind vier gleich große halbrunde Apsiden angeordnet, den vier Himmelsrichtungen entsprechend. Der Durchmesser beträgt 14 m. Über dem Quadrat ist ein Turm zu ergänzen, der auch durch den Stadtplan von 1617 belegt ist. Ein solcher Zentralbau – ein Kirchenschiff ließ sich bisher trotz intensiver Suche nicht nachweisen – ist als Pfarrkirche eher ungeeignet und kann kaum für diesen Zweck geplant und gebaut worden sein. Dennoch bleibt an der Identifizierung mit der historisch überlieferten Pfarrkirche St. Walpurga kein Zweifel. Dies lässt nur den Schluss zu, dass die Nutzung als Pfarrkirche sekundär war.
Ein Blick in die spärliche Überlieferung zur mittelalterlichen Geschichte von Merzig legt folgende Lösung dieses Problems nahe: Gegen 1150 gründeten Augustiner-Mönche aus Springiersbach (bei Wittlich) ein Kloster in Merzig. Für 1153 liegt die Nachricht vor, die Klostergebäude seien fertiggestellt. Bereits 1182 wurde diese Mönchsgemeinschaft auf Betreiben des Trierer Bischofs von Prämonstratensern aus Wadgassen abgelöst. Um 1200 errichteten diese mit der noch heute bestehenden Kirche St. Peter eine große und prächtige spätromanische Klosterkirche.

War St. Walpurgia die Klosterkirche?

Die neu entdeckte Kirche mit ihrem ungewöhnlichen und für den Pfarrgottesdient wenig geeigneten Grundriss könnte durchaus als Klosterkirche von den Augustinern um die Mitte des 12. Jahrhunderts errichtet worden sein. Zentralbauten sind hin und wieder als Klosterkirchen der Romanik belegt. Besonders aufschlussreich ist, dass Mönche aus Springiersbach, also aus dem Heimatkloster der ersten Merziger Augustiner, um 1120 in Lonnig bei Koblenz einen architektonisch anspruchsvollen Zentralbau schufen.
Die in Merzig entdeckte Kirche wurde wahrscheinlich von den Augustinern als Klosterkirche errichtet und später auch von den Prämonstratensern bis zur Fertigstellung ihres Neubaus St. Peter benutzt. Erst danach, im frühen 13. Jh., dürfte sie zur Pfarrkirche geworden sein. Bereits seit der Zeit der Augustiner gab es eine enge Verbindung zwischen Kloster und Pfarrei, denn es gehörte zu den Aufgaben der Ordensleute, als Priester auch die Pfarrgemeinde zu betreuen. Daraus erklärt sich auch die räumliche Nähe der beiden Kirchen, die uns heute ungewöhnlich erscheint, im Mittelalter aber öfter vorkommt.

Zwei romanische Kirchen Funde_3

„Somit steht fest, dass in Merzig zwei bedeutende romanische Kirchen unmittelbar nebeneinander standen“, betonte der Oberbürgermeister vor dem Hintergrund, dass Zeugnisse der Romanik im gesamten Saarland rar sind. An der Saar sind nur vergleichsweise wenige Relikte aus der Epoche zwischen dem 10. und frühen 13. Jahrhundert erhalten, die allgemein als Zeitalter der Romanik bezeichnet wird, allen voran der „Alte Turm“ in Mettlach und natürlich die Pfarrkirche St. Peter in Merzig, der größte noch genutzte Sakralbau aus der Romanik im Saarland.
„Somit kann die Kreisstadt Merzig künftig mit einem einzigartigen kulturhistorischen Pfund wuchern“, unterstrich OB Lauer mit Blick auf die durch die Funde gewonnenen neuen stadtgeschichtlichen Erkenntnisse. Die Stadtverwaltung Merzig werde die Ergebnisse der historischen Funde bei den weiteren Umbaumaßnahmen auf dem Kirchplatz berücksichtigen und Ideen entwickeln, um diese dauerhaft der interessierten Öffentlichkeit in Erinnerung zu rufen, kündigte Lauer an.
Die Ausgrabungen beschränkten sich bisher auf den von der aktuellen Baumaßnahme (Aufbringen eines neuen Pflasters) betroffenen Bereich. In den nächsten Tagen wird noch Gelegenheit bestehen, an einzelnen wichtigen Punkten in die Tiefe zu gehen und vor allem Unklarheiten an dem stark gestörten Westabschluss der Kirche zu klären. Zudem sollen einzelne Gräber untersucht werden, die bei der Datierung der Kirche helfen können. Zahlreiche Grabgruben in dem erst 1839 aufgegebenen Friedhof an der Walpurgiskirche wurden zwar bei der Grabung erfasst und dokumentiert, sollen aber nicht weiter freigelegt werden. Wesentliche Aufschlüsse über die frühe Geschichte Merzigs erhoffen die Archäologen durch Grabungen unter dem Parkplatz zwischen Stadtbücherei und Vereinshaus, der ebenfalls neu gestaltet werden soll. Dort wird der frühmittelalterliche, im 6. und 7. Jh. belegte Friedhof von Merzig vermutet.

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