Standing Ovations für Julia Neigel

Saarlouis (aram). Ein Wirbelwind fegte dieser Tage über die Bühne des Theaters am Ring in Saarlouis, ein Wirbelwind namens Julia Neigel – doch richtig geschrieben, Julia, nicht mehr Jule. Mit dem alten Vornamen hatte sie bereits in den 80er Jahren die Bühnen der Republik gerockt und war auf dem Weg ganz nach oben. Es folgten Auseinandersetzungen mit ihren früheren Bandmitgliedern, die ihr die Rechte an den von ihr geschriebenen Songs streitig machen wollten. Die Streitigkeiten endeten vor Gericht, vor dem Julia weitgehend obsiegte. Es folgte ein Neustart unter dem „normalen“ Namen Julia, wobei anzumerken ist, im B8060Bereich Livemusik war Julia auch während der Zwangspause präsent, nur eben nicht auf dem Plattenmarkt. Die Streitphase erwies sich jedoch als ein langer Anlauf für eine neue CD – „Neigelneu“ kam im April 2011 auf den Markt. Genutzt hat die vielseitige Sängerin diese Phase zum Schreiben neuer Songs.  Julia Neigel ist 1966 in Sibirien geboren. Im Alter von fünf Jahren kam sie mit ihren Eltern und vier Geschwistern nach Deutschland. Schon bald kristallisierte sich eine ganze Reihe von Talenten heraus. Sportlich war sie sehr aktive Leichtathletin, als Handballspielerin stand sie vor einer Bundesligakariere. Am meisten schlug ihr Herz jedoch für die Musik. Als Querflötistin gewann sie eine ganze Reihe von Preisen, unter anderem bei Jugend musiziert.
Den entscheidenden Kick zur Musik gab eine Schallplatte 8018der Beatles, „Revolver“, die sie als 10jährige erstmals hörte, Revolver war auch die erste Schallplatte, die Julia besaß. Musik ließ sie jetzt nicht mehr los. Der Wunsch nicht nur zu interpretieren, was andere geschrieben hatten, sondern selbst zu entwickeln, eigene Songs zu schreiben, schuf sich schließlich Raum. Sie entwickelte eine Affinität zur Soulmusik. Aretha Franklin, Stevie Wonder und Ray Charles beeinflussten sie stark, aber auch der Wunsch sich in der deutschen Sprache auszudrücken. Der Riesenhit „Schatten an der Wand“ entstand in dieser Zeit. Ende der 80er Jahre war Jule Neigel – wie sie jetzt noch hieß – ein gefeierter Rockstar.
Aus der Soulband „The Stealers“ entwickelte sich „Jule Neigel und Band“. Als Frontfrau dieser Band p8008erfektionierte die Sängerin, die über vier Oktaven singen kann, ihre Fähigkeiten weiter. In dieser Zeit entstanden sechs Studioalben, daneben schrieb und schreibt sie Texte für Peter Maffay. Zum Bruch mit der Band und den daraus resultierenden Urheberrechtsstreitigkeiten kam es 1998.
Es folgte eine sehr schwierige Phase, eine Welt war für sie zusammengebrochen. Doch Julia Neigel, wie sie sich fortan nannte, ist eine Kämpfernatur. Sie begann mit der Suche nach neuen Musikern. „Ganz wichtig waren für mich dabei charakterliche Eigenschaften und Tugenden, noch wichtiger als die musikalischen Qualitäten“. Die Suche war erfolgreich, seit fast zehn Jahren arbeitet sie jetzt mit Keyboarder Simon Nicholls und dem Gitarristen Joerg Dudy zusammen, etwas später kam Schlagzeuger Chris Gross hinzu. Es folgten Liveauftritte und Konzerte mit Peter Maffay, mit Udo Lindenberg und mit Edo Zanki. Mit letzterem produzierte sie auch die aktuelle CD „Neigelneu“. In diesem Album hat sie viele der Erfahrungen, die sie in der vorangegangenen Krise erlebt hat, verarbeitet. „Es warenB8073 teilweise bittere Erfahrungen“ sagt sie, „aber auch Erfahrungen, die einen Reifeprozess ausgelöst haben, der mich viel weitergebracht hat“.
Bei dem Konzert in Saarlouis mischte Julia Neigel alte Titel mit Titeln der neuen CD. In den Zwischenmoderationen erzählt sie von den Titeln, beschreibt bei dem einen oder anderen wie er zustande kam, berichtet von dem ausgekoppelte Singletitel „Wärst Du bei mir“, spricht von Ängsten, die sie überwunden hat.
Auf der Bühne ist sie unglaublich präsent, zeigt vielerlei Facetten ihres immensen Könnens, streut neben Rock, Soul und Pop Titeln balladeske Songs ein und zeigt auch, dass sie eine hervorragende Bluesstimme hat, in der sich die gewonnene Reife vielleicht am deutlichsten wiederspiegelt.
Am Ende des Konzerts, nein, eigentlich schon viel früher, hat sie das Saarlouiser Publikum total begeistert, standing ovations und die Forderung nach Zugaben demonstrierten dies ebenso wie die Frage „Wann kommst du wieder“?, die häufig gestellt wurde.

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