Wer hat Angst vor Virginia Woolf – Aufrüttelnde Beziehungskrise mit einem Schuss Hoffnung

„Wer hat Angst vor Virginia Woolf“, das Schauspiel des amerikanischen Autors Edward Albee wurde einmal „ein Fest für Schauspieler“ genannt. Uraufführung hatte es am 13. Oktober 1962 am Billy Rose Theater in New York. Verfilmt wurde es vier Jahre später mit Liz Taylor und Richard Burton in den Hauptrollen. Seither hat es Weltgeltung. Es stellt eine enorme Herausforderung für die Schauspieler dar, die eine Fülle von Text beherrschen und umsetzen müssen. Es sind keine seichten Rollen, sondern schwierige Charaktere, die dargestellt werden, nicht honigsüß, sondern knallhart stellenweise. Das Stück wurde dieser Tage in der Dillinger Stadthalle gezeigt, die Hauptrollen waren mit Leslie Malton und Felix von Manteuffel besetzt, keine Leichtgewichte der deutschen Schauspielkunst, gute Voraussetzungen also.
Wer hat Angst vor Virginia Woolf mit Urs Stämpfli, Felix van Manteuffel, Judith Hoersch und Leslie Malton (vlnr)
George und Martha sind seit 20 Jahren verheiratet. Die Leidenschaft der frühen Ehejahre ist längst verflogen. Stattdessen leben die beiden in einer Ehehölle mit immer wieder neuen Zerreißproben. George ist Geschichtsprofessor an einem College, Martha die Tochter des Dekan dieses Colleges. Eines Abends, spät in der Nacht, um zwei Uhr, kehren George und Martha von einem alkoholreichen Fest nach Hause zurück. Ohne Wissen ihres Mannes hat Martha aber noch Gäste eingeladen, den jungen Biologieprofessor Nick und seine Frau Honey. Marthas Vater hatte nahegelegt diesen Kontakt zu pflegen. Die Bar von George und Martha ist gut bestückt, der Alkohol fließt in Strömen. George ist darüber verärgert, dass seine Frau ohne sein Wissen Gäste eingeladen hat und beginnt mit ihr zu streiten. Martha nutzt die Gelegenheit ihren Mann lächerlich zu machen und bezeichnet ihn als Mensch und als Mann als Versager – Nick und Honey werden hilflose Zeugen und werden immer tiefer in die Grabenkämpfe des Beziehungskrieges hineingezogen.Wer hat Angst vor Virginia Woolf mit Leslie Malton, Judith Hoersch und Urs Stämpfli (vlnr)

Im zweiten Akt, der den beziehungsreichen Titel „Walpurgisnacht“ trägt, wird Nick entlarvt. Er hat Honey geheiratet, weil er an das Vermögen ihres Vaters wollte. George redet sich immer weiter in Rage und versucht schließlich Martha zu würgen. Nick trennt die beiden, Martha setzt die Herausforderungen fort und beginnt mit Nick intensiv zu flirten. Schließlich verschwindet sie mit ihm in die Küche. Honey bekommt von alle dem nichts mit, sie ist mittlerweile total betrunken und hat Wahnvorstellungen. Ihr plötzlicher Aufschrei „Es klopft“ bringen George auf den Gedanken, wie er sich für die ständigen Demütigungen durch seine Frau rächen kann. Diese hat in ihrer Phantasie, gewissermaßen um den ihr trostlos erscheinenden Alltag besser ertragen zu können, einen Sohn erschaffen, der im Gegensatz zu ihrem Ehemann sehr erfolgreich ist. George beschließt ihre Lebenslüge zu zerstören.Wer hat Angst vor Virginia Woolf mit Judith Hoersch und Felix von Manteuffel (vl)

Er führt im dritten Akt, der Austreibung überschrieben ist, die Erzählung weiter und lässt den erfundenen Sohn bei einem Verkehrsunfall sterben. Es wird Tag, die Nacht geht zu Ende und Martha erkennt, dass sie keinen Sohn mehr hat, zu dem sie flüchten kann. Sie sieht ein, dass sie auf George angewiesen ist. Noch eine Erkenntnis bringt die Nacht mit sich: Honey erkennt am Beispiel von Martha, welche Bedeutung Kinder haben können, verdrängt ihre Angst vor Schwangerschaft und Geburt und möchte ein Kind bekommen, keine Ausgeburt der Phantasie, sondern ein leibhaftes Kind. Ebenso wie Marthas gewaltsamer Sprung in die Wirklichkeit ist das der optimistische Schluss den das Stück zulässt. Ob die Beziehung zwischen George und Martha auf Dauer friedfertig bleibt und letztendlich zu reWer hat Angst vor Virginia Woolf mit Felix von Manteuffel undLeslie Malton (vl)tten ist, bleibt offen.Zurück zum Anfang. Mit Felix von Manteuffel und Leslie Malton war das Stück toppbesetzt. Dies ist umso mehr zu betonen als die beiden Hauptdarsteller im „wirklichen“ Leben ebenfalls ein Paar sind und –so hört man – einen liebevollen Umgang miteinander pflegen.
Auch die Rolle der Honey war mit Judith Hoersch und die des Nick mit Urs Stämpfli gut besetzt. Die beiden spielten das eigentlich überforderte Paar überzeugend. Bleibt zu sagen, in der Dillinger Stadthalle hat man ein spannendes Stück aus dem „Olymp zeitloser Meisterwerke“ – so heißt es im Programmheft – auf die Bühne geholt und den Besuchern überzeugende Schauspielkunst geboten.

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